Rehe werden von Zecken stark besiedelt

 

Sommer 2020, „Corona-Zeit“. Tausende Menschen zieht es in die heimische Natur. Potentielle Opfer für Zecken, die mit ihrer gefährlichen Fracht von Borreliose-Bakterien und FSME-Viren die Gesundheit gefährden. Zecken ernähren sich vom Blut und der Lymphflüssigkeit ihrer Wirte, Wild- und Haustieren sowie des Menschen. Sie durchlaufen drei Entwicklungsstadien. Die Larve, 6 Beine, findet ihre Wirte bevorzugt unter Kleinnagern. Die anschließende Nymphe, mit 8 Beinen, sucht sich größere Wirte, um ausgiebiger zu saugen. Im dritten Entwicklungsstadium spricht man von der adulten Zecke. Diese sucht einen Wirt auf, an dem sie für einen längeren Zeitraum saugen kann.

Wissenschaftler um Prof. Dr. Matuschka, Parasitologe von der Hochschulambulanz der Universität Potsdam und Dr. Dania Richter von der Techn. Universität Braunschweig, haben sich intensiv mit Zecken und Borreliose beschäftigt. Sie haben festgestellt, dass die Borreliose-Träger hauptsächlich Kleintiere, wie Ratten, Mäuse, Igel, aber auch Füchse, Katzen und Vögel sind. Diese Tiere stellen ein Reservoir für Borreliose-Bakterien dar. Werden diese von Zecken befallen, nimmt die Zecke den Krankheitserreger auf und kann ihn weiterverbreiten.  Zecken können, je nach Region, bis zu 30% mit Borreliose befallen sein. Die Wahrscheinlichkeit, nach einem Zeckenbiss eine Infektion mit Krankheitssymptomen zu bekommen, liegt bei ca. 1% (Nahimana et al 2004; Heininger et al 1993; Maiwald et al 1998; Paul et al 1987). Jährlich erkranken ca. 40.000 bis 80.000 Menschen in Deutschland an Borreliose (Horst, 1993, Perimed-Spitta Medizinische Verlagsgesellschaft).

Wiederkäuer wie Reh, Rotwild, Rinder, Schafe und Ziegen werden ebenfalls von den Zecken heimgesucht, zeigen aber nach dem Biss mit infektiösem Speichel kaum bis überhaupt keine Krankheitssymptome. Untersuchte Zecken, die zuvor an Wiederkäuern Blut gesaugt hatten, waren anschließend borreliosefrei und damit keine Überträger dieser Krankheit mehr. Welcher Stoff im Blut der Tiere dafür verantwortlich ist, muss noch erforscht werden. 

Die beiden Forscher bezeichnen Wiederkäuer deshalb als zooprophylaktisch. In Gebieten mit hohem Wiederkäuervorkommen ist die Zahl infizierter Zecken mit einiger Wahrscheinlichkeit geringer. Prof. Matuschka sieht in einer starken Reduktion von Rehwild die Gefahr, dass sich das Risiko für die öffentliche Gesundheit erhöht. Warum? Rehe werden von Zecken stark besiedelt. Sie lenken die Zecken davon ab, potentielle Krankheitsüberträger zu befallen. Ferner sorgen sie dafür, dass die am Reh gesaugten Zecken keine Borreliose mehr übertragen können. Je mehr Rehe also vorhanden sind, umso mehr Zecken besiedeln diese Tiere und umso weniger werden die potentiellen Krankheitsträger befallen, umso weniger Erreger kommen in Umlauf. Eine wichtige Erkenntnis, die den Blickwinkel hinsichtlich der „Schädlichkeit“ des Reh- und Rotwildes einmal mehr als sehr bedenklich erscheinen lässt. Es zeigt aber auch, wie komplex sich ein Ökosystem gestaltet, wie empfindlich es auf Manipulationen reagiert und wie die Besonderheit des Rehs die menschliche Gesundheit positiv beeinflusst.

Dieter Immekus (Obmann für Naturschutz im KJV Lindau e.V.)